Margaret Atwood: Katzenauge (Cat's Eye) (2024)

Margaret Atwood: Katzenauge

"Die Ich-Erzählerin Elaine wird als Kind von Mitschülerinnen gemobbt, aber vor dem Wechsel zur Highschool ändert sich das Kräfteverhältnis und Elaine erweist sich ihrer Herausforderin Cordelia nun als überlegen. Sie entwickelt sich zu einer selbstbewussten Malerin, während sich zugleich die Gesellschaft unter dem Einfluss des Feminismus und anderer Strömungen verändert.

Die Familie

Der Vater ist Insektenforscher. Im Sommer zieht er mit seiner Frau, dem Sohn Stephen und der Tochter Elaine durch den Norden Kanadas. Während des ganzen Essens redet er von den Ringelspinnern: wie viele es sind, wie geschickt sie sind, welche verschiedenen Methoden es gibt, sie zu bekämpfen. Es ist falsch, sie mit DDT und anderen Insektiziden zu besprühen, sagt er. Das vergiftet nur die Vögel, die ihre natürlichen Feinde sind, während sie selbst, da sie ja Insekten und daher erfinderisch sind, sogar erfinderischer als die Menschen selbst, eben einfach gegen die Sprühmittel resistent werden, sodass am Ende nichts anderes herauskommt als tote Vögel und immer mehr Ringelspinner. Er arbeitet an etwas anderem: einem Wachstumshormon, das ihr System durcheinanderbringt und sie dazu verführt, sich zu verpuppen, bevor es Zeit ist. Vorzeitiges Altern. Aber wenn er zu Wetten neigte, sagt er, dann würde er sein Geld auf die Insekten setzen. Insekten sind älter als Menschen, sie haben mehr Erfahrung im Überleben, und es gibt von ihnen sehr viel mehr, als es Menschen gibt. Und außerdem werden wir uns wahrscheinlich sowieso noch vor Ende dieses Jahrhunderts mit der Atombombe in die Luft jagen, so wie sich die Dinge entwickeln. Die Zukunft gehört den Insekten. Schließlich richtet sich die Familie in einem Haus auf einer Schlammwüste in Toronto ein. Unser Haus sieht aus wie nach einem Krieg übrig geblieben: drumherum Schutt, Verheerung. Unser Vater hat einen neuen Beruf. Das erklärt alles. Er forscht jetzt nicht mehr nach Insekten im Wald, sondern er ist Universitätsprofessor. Elaine und Stephen können nun auch zur Schule gehen. Länger als drei oder vier Monate hintereinander sind wir sowieso noch nie in die Schule gegangen. […] ich habe noch nie eine Freundin gehabt, weil wir nirgends lange genug bleiben.

Grundschule

In der Queen Mary Public School freundet sich Elaine mit der gleichaltrigen Carol Campbell an, die wiederum mit der ein Jahr älteren Grace Smeath befreundet ist. Nach den Sommerferien kommt eine neue Klassenkameradin von Grace dazu: Cordelia. Cordelia wohnt ein Stückchen weiter östlich als ich, in einem der Häuser, die noch nicht einmal so alt sind wie unseres, mit der gleichen aufgewühlten Erde ringsherum. Aber ihr Haus ist kein Bungalow, es hat zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss hat es ein Esszimmer, das durch einen Vorhang vom Wohnzimmer getrennt ist. Man kann ihn zurückziehen, um beide Zimmer in einen einzigen großen Raum zu verwandeln. Sie haben ein Bad ohne Badewanne, das Gästetoilette genannt wird. Cordelias Mutter hat eine Putzfrau. Sie ist die einzige von unseren Müttern, die eine hat. Cordelias ältere Schwestern heißen Perdita und Miranda, werden aber Perdie und Mirrie gerufen, anders als Cordelia, die nicht mit Cordie, sondern mit ihrem vollen Namen angesprochen werden möchte. Mrs Smeath fordert Elaine auf, sonntags mit in die Kirche zu kommen. Elaine, die noch nie an einer Messe teilnahm, weil ihre Eltern Atheisten sind, lässt sich dazu überreden. Zufällig hört Elaine einmal, wie Mrs Smeath und deren Schwester Mildred sie als „Heidin“ bezeichnen. „Was kann man erwarten bei der Familie, aus der sie kommt?“, sagt Mrs Smeath. Als die beiden Frauen merken, dass Elaine hört, was sie sagen, ist es ihnen nicht einmal peinlich. Während vor allem Cordelia viele Kleider besitzt, hat Elaine nur ein Kleid für den Sommer und eines für den Winter. Ebenso wie ihre Eltern und ihr Bruder bevorzugt sie praktische und bequeme Kleidungsstücke. Sie trägt keine Röcke, sondern Hosen und ist es nicht gewohnt, darauf zu achten, dass die Beine beim Sitzen geschlossen bleiben. Cordelia, Grace und Carol kritisieren Elaine fortwährend und behaupten, ihr helfen zu wollen, „besser“ zu werden. Dabei denken sie sich immer neue „Strafen“ für sie aus. Elaine findet das schlimm, ohne zu erkennen, dass es sich um Mobbing einer Außenseiterin handelt, aber sie möchte die Freundinnen nicht verlieren. Ich habe kein blaues Auge, keine blutige Nase: Meinem Körper tut Cordelia ja nichts. Wenn es Jungen wären, die einen verfolgen oder ärgern, würde [der zwei Jahre ältere Bruder Stephen] wissen, was zu tun ist, aber Jungen tun mir nichts. Gegen Mädchen und ihre indirekten Methoden, gegen ihr Geflüster, wäre er hilflos. Außerdem schäme ich mich. Ich habe Angst, dass er mich auslacht, dass er mich verachtet, weil ich feige bin und mich vor einem Haufen Mädchen fürchte, weil ich mich wegen nichts aufrege. Mrs Finestein, eine Nachbarin, fragt Elaine, ob sie bereit wäre, ihren kleinen Sohn Brian einmal in der Woche eine Stunde lang im Kinderwagen herumzufahren und bietet ihr dafür Geld. Elaine tut das gern, aber sie hört bald wieder damit auf, denn Grace weist darauf hin, dass Finestein ein jüdischer Name sei, beschimpft das Kind als „Itzig“, und Elaine befürchtet, dass ihre Freundinnen dem kleinen Jungen etwas antun könnten. Ich sage Mrs Finestein, dass ich nicht mehr kommen kann, weil ich zu viele Hausaufgaben habe. Den wahren Grund kann ich ihr nicht sagen: dass Brian auf eine unklare, dunkle Weise bei mir nicht sicher ist. Mit knapp elf Jahren findet Elaine heraus, wie sie absichtlich ohnmächtig werden kann. Das hilft ihr. Als Cordelia mir das nächste Mal befiehlt, mich an die Wand zu stellen, falle ich wieder in Ohnmacht. Ich kann es jetzt fast immer, wenn ich will. Ich bin jetzt als das Mädchen bekannt, das in Ohnmacht fällt. „Sie tut es absichtlich“, sagt Cordelia. „Na, mach schon, zeig uns doch mal, wie du ohnmächtig wirst. Na, los. Du sollst ohnmächtig werden.“ Aber wenn sie es mir sagt, kann ich es nicht."

https://www.dieterwunderlich.de/atwood-katzenauge (c) Dieter Wunderlich

Zitate:

Cornelia und Grace und Carol bringen mich zu dem tiefen Loch in Cordelias Garten hinter dem Haus. Ich habe ein schwarzes Kleid und einen Umhang aus dem Schrank mit den Kostümen an. Ich soll Mary, die schottische Königin sein, schon ohne Kopf. Sie heben mich an den Unterarmen und Beinen hoch und lassen mich in das Loch rutschen. Dann schieben Sie die Bretter oben drüber. Das Tageslicht verschwindet, und man hört, wie er auf die Bretter fällt, eine Schaufel nach der anderen. Unten im Loch ist es trüb und kalt und feucht, und es riecht wie in einem Krötenbau.

Von oben, draußen, höre ich ihre Stimmen, und dann höre ich sie nicht mehr. Ich liege da und überlege, wann es wohl an der Zeit ist, wieder rauszukommen. Nichts rührt sich. Als sie mich in das Loch gesteckt haben, wusste ich, dass es ein Spiel war; jetzt weiß ich, dass es keins ist. Ich verspüre Traurigkeit, das Gefühl von Verrat. Dann fühle ich, wie sich die Dunkelheit immer schwerer auf mich legt; dann Panik.

Wenn ich mich an die Zeit in dem Loch zurückerinnere, kann ich mir eigentlich nicht richtig vorstellen, was mit mir geschah, während ich drin war. Ich kann mich nicht daran erinnern, was ich wirklich gefühlt habe. Vielleicht geschah gar nichts, vielleicht sind die Gefühle, an die ich mich erinnere, gar nicht die Gefühle, die ich wirklich hatte. Ich weiß nur, dass die anderen nach einer Weile zurückkamen und mich wieder raus holten und dass wir dann dieses oder irgendein / anderes Spiel spielten. Ich habe keine Vorstellung von mir selbst in diesem Loch; nur von einem schwarzen Quadrat ohne etwas darin, einem Quadrat wie eine Tür. Vielleicht ist das Quadrat leer; vielleicht ist es nur eine Markierung, eine Zeit Markierung, die die Zeit davor, von der Zeit der Nacht trennt. Der Punkt, an dem ich die Macht verloren habe. Habe ich geweint, als sie mich aus dem Loch holten? Wahrscheinlich. Andererseits bezweifle ich es. Aber ich kann mich nicht erinnern.

Kurz danach wurde ich neun. Ich kann mich an meine anderen Geburtstage erinnern, die davor und die danach, aber nicht an diesen. Es muss eine Party gegeben haben, meine erste richtige, denn wer hätte schon zu den früheren kommen sollen? Es muss einen Kuchen gegeben haben, mit Kerzen und Glückwünschen und einer Glücksmünze, in Wachspapier gewickelt und zwischen den Teigschichten versteckt, damit sich jemand seinen Zahn daran ausbiss, und auch Geschenke [...] All das muss geschehen sein, aber die einzige Spur, die es hinterlassen hat, war eine undefinierbare Abneigung gegen Geburtstagspartys, nicht gegen die anderer, gegen meine. Ich denke an pastellfarbene Glasuren, rosa Kerzen, die in dem fahlen Licht des Novembernachmittags brennen, und da ist ein Gefühl von Scham und Versagen." (S.132/133)

"Cordelia kommt zu mir nach Hause, und ich helfe ihr bei ihrer Biologieaufgabe, und sie bleibt zum Essen bei uns. Mein Vater, der das Rindfleisch austeilt, sagt, dass jeden Tag eine Spezies ausstirbt, er sagt, dass wir die Flüsse vergiften und die Genpools des Planeten zerstören. Er sagt, dass immer, wenn eine Spezies ausstirbt, irgendeine andere nachrückt, um die ökologische Nische zu füllen, Weil die Natur kein Vakuum zulässt. Er sagt, dass die Dinge, die nachrücken, die üblichen Unkräuter sind, und Kakerlaken und Ratten: schon bald werden alle Blumen Hundeblumen sein. Er schwingt die Gabel durch die Luft und sagt, dass es eine neue Seuche geben wird, wenn wir uns als Spezies weiterhin derart vermehren, damit das Gleichgewicht wiederhergestellt wird. Und das alles wird nur deshalb geschehen, weil die Menschen die Grundregeln der Wissenschaft missachtet haben, weil sie stattdessen mit Politik und Religion und Kriegen beschäftigt waren, und sie sich mit aller Leidenschaft Entschuldigungen ausgedacht haben, um sich gegenseitig umzubringen. Die Wissenschaft aber kennt keine Leidenschaft und keine Voreingenommenheit, sie ist die einzige universelle Sprache. Diese Sprache besteht aus Zahlen. Wenn wir am Ende bis zu den Ohren im Tod und im Müll stecken, dann wird die Wissenschaft aufgerufen sein, das, was wir angerichtet haben, wieder ins Lot zu bringen.

Cornelia hört sich alles an und lächelt ein bisschen spöttisch. Sie hält meinen Vater für ein wenig wunderlich. Ich höre ihn so, wie sie ihn wahrscheinlich hört: über sowas redet man nicht bei Tisch.

Ich gehe zum Essen zu Cordelia. Bei Cordelia gibt es zweierlei Arten zu essen: einmal, wenn ihr Vater da ist, und das andere Mal, wenn er nicht da ist. Wenn er nicht da ist, geht alles holterdiepolter. Ihre Mummie kommt mit abwesender Miene in ihrem Malkittel an / den Tisch, Perrd und Mirrie und auch Cordelia erscheinen in Bluejeans und irgendein Männerhemd, die Haare auf Lockenwickler gedreht. Sie springen vom Tisch auf, schlendern in die Küche, um mehr Butter zu holen, oder das Salz, das vergessen wurde. Sie reden alle durcheinander in trägem, amüsiertem Ton , und stöhnen, wenn sie an der Reihe sind, den Tisch abzuräumen, während Mummieohne große Überzeugung "Kommt, schon, Mädchen", sagt. Sie verliert die Energie, enttäuscht zu sein.

Aber alles ist anders, wenn Cordelias Vater da ist. Auf dem Tisch stehen Blumen und Kerzen. Mami hat ihre Perlenkette angelegt, die Servietten stecken ordentlich gefaltet in Serviettenringen, anstatt zusammengeknüllt, unter den Tellerrändern zu liegen. Nichts wird vergessen. Und es gibt keine Lockenwickler, keine Ellenbogen auf dem Tisch, sogar die Rücken sind viel gerader.

Heute ist einer der Kerzentage. Cornelias Vaters sitzt mit seinen buschigen Augenbrauen, seinem Wolfsblick, am Kopfende des Tisch und richtet die ganze Wucht seines schwerfälligen, ironischen furchterweckenden Charmes auf mich. Er vermittelt einem das Gefühl, dass das, was er von einem denkt, zählt, weil es genau trifft, dass aber das, was von man von ihm denkt, keinerlei Bedeutung hat.

"Ich stecke unterm Pantoffel", sagt er und tut so, als litte er schwer. "Der einzige Mann in einem Haus voller Frauen. Morgens lassen sie mich nicht mal zum Rasieren ins Badezimmer." Zum Schluss sucht er meine Sympathie und meine Unterstützung. Aber mir fällt dazu nichts ein.

"Er sollte sich glücklich schätzen, dass wir ihn überhaupt ertragen", sagt Perdie. Sie kann sich ein bisschen Frechheit erlauben, ein paar fohlenhafte Freiheiten. Sie hat den Haarschnitt dafür. Mirrie macht unter Druck ein vorwurfvolles Gesicht. Cordelia kann beides nicht besonders. Aber sie schmeicheln ihm auf gewisse Weise alle.

"Was studierst du denn so dieser Tage?" fragt er mich. Diese Frage stellt er mir fast immer. Was ich auch antworte, amüsiert ihn.

"Das Atom", sage ich.

"Aha, das Atom", sagt er. "Ich erinnere mich an das Atom. Und was meint das Atom dieser Tage?"

"Welches?" frage ich, und er lacht.

"In der Tat, welches", sagt er. "Das ist sehr gut." Vielleicht ist es / das, was er will: irgendeinen Abttausch, egal was. Aber Cordelia kann das nicht, sie hat zu viel Angst vor ihm. Sie hat Angst, ihm nicht zu gefallen, und gibt sich große Mühe. Und doch ist er nie zufrieden mit ihr. Ich habe ihre zittrigen, unbeholfen Bemühungen, ihn zu besänftigen, oft genug beobachtet. Aber nichts, was sie tut oder sagt, wird ihm je genügen, weil sie irgendwie nicht die richtige Person ist.

Ich beobachte das, und es macht mich wütend. Am liebsten würde ich ihr einen Tritt geben. Wie kann sie nur so unterwürfig sein? Wann wird sie es endlich lernen?

Cordelia fällt bei der Halbjahresprüfung in Biologie durch. Es scheint ihr nichts auszumachen. Sie hat während der Arbeit die meiste Zeit damit verbracht, heimlich von verschiedenen Lehrern der Schule Karikaturen zu zeichnen, die sie mir mit ihrem übertriebenen Lachen auf dem Heimweg zeigt." (Seite 295-297)

weiter im Inhalt:

Highschool

Nachdem Grace und Cordelia ihren Grundschulabschluss gemacht haben, wechselt Cordelia auf die Privatschule St. Sebastian und Grace auf eine Highschool weiter im Norden. Carol Campbell zieht mit ihrer Familie fort. Am Tag bevor auch für Elaine die Highschool beginnt, ruft Cordelias Mutter an und fragt, ob sie ihre Tochter auf dem Schulweg begleiten wolle. Cordelia ist von der Privatschule geflogen und geht nun in dieselbe Klasse der Burnham Highschool wie Elaine. Die beiden sind 13 bzw. 12 Jahre alt. In unserem Gesundheitsbuch ist ein Kapitel über die Gefühle von Teenagern. Nach diesem Buch müsste ich in einem Wirbelsturm von Teenagergefühlen gefangen sein, den einen Augenblick lachen, den nächsten weinen, wie in einer Achterbahn hoch- und runtersausen, so heißt es dort. Aber diese Beschreibung trifft auf mich ganz und gar nicht zu. Ich bin ruhig; ich beobachte das groteske Benehmen meiner Mitschüler, die sich ganz genauso aufführen, wie es in dem Buch beschrieben ist. Die Mädchen in der Schule lernen es, sich vor meinem bösen Mundwerk in Acht zu nehmen. […] Die Person, die mein böses Mundwerk am meisten zu spüren bekommt, ist Cordelia. […] Manchmal fällt Cordelia eine Antwort ein, aber manchmal fällt ihr auch nichts ein. Sie sagt: „Das ist gemein.“ Cordelias Familie zieht schließlich in eine vornehmere Gegend, und die Mädchen verlieren sich aus den Augen.

Studium

Zur Bestürzung ihrer Eltern studiert Elaine nicht Biologie, sondern Kunst und Archäologie. Außerdem belegt sie nacheinander fünf Abendkurse am Toronto College of Art. Der Lehrer im Aktzeichnen heißt Josef Hrbik. Obwohl er Mitte 30 ist, hat er eine Affäre mit seiner 20-jährigen Schülerin Susie und fängt parallel dazu auch noch eine mit Elaine an, die zwei Jahre jünger als Susie ist und vorher noch nie mit einem Mann im Bett war. Susie darf nichts davon wissen. Elaine lässt sich dann ihrerseits auf eine Liebesbeziehung mit dem angehenden Maler Jon ein. Josef muss ich vor meinen Eltern verbergen und Jon vor Josef und ihnen. Jon denkt nicht, dass Frauen hilflose Blumen sind oder Gebilde, die arrangiert und vervollkommnet werden müssen, so wie Josef es tut. Als Susie schwanger geworden ist, versucht sie, das Kind wegzumachen, verliert dabei aber viel Blut und stirbt beinahe. Josef ist am Boden zerstört und klammert sich an Elaine, aber die sieht ihn nun als Schwächling und beendet die Affäre."

Quelle: https://www.dieterwunderlich.de/atwood-katzenauge (c) Dieter Wunderlich

(wird fortgesetzt)

Noch zu korrigieren:

"Zwei Männer sind besser als einer, jedenfalls ist mir jetzt wohler. Ich liebe beide, sage ich mir, und zwei zu haben, bedeutet, dass ich mich weder für den einen noch für den anderen entscheiden muss.

Josef [Hrbik]bietet mir, was er mir immer geboten hat, plus Furcht. Ganz nebenbei erzählt er mir, genauso wie er mir einmal erzählte, dass er einen Mann in den Kopf geschossen hat, das es in den meisten Ländern, außer in unserem, üblich sei, dass eine Frau einem Mann gehört: wenn ein Mann, seine Frau zusammen mit einem anderen Mann antrifft, tötet er beide, und niemand verurteilt ihn deshalb. Was eine Frau tut, wenn eine andere Frau im Spiel ist, sagt er nicht. Während er es erzählt, streicht er mir mit der Hand über den Arm, über die Schulter, über den Nacken, und ich frage mich, was er vermutet. Er hat sich angewöhnt, von mir zu verlangen, dass ich spreche; wenn ich nicht reden soll, legt er mir die Hand auf den Mund. Ich schließe die Augen und empfinde ihn als eine Quelle von Macht, nebelartig und ungreifbar. Ich habe den Verdacht, dass er irgendwie albern wäre, wenn ich ihn objektiv sehen könnte. Aber das kann ich nicht. /

Was John betrifft, so weiß ich, was er mir bietet. Er bietet ein Entkommen, Weglaufen vor den Erwachsenen. Er bietet mir Spaß und Unordnung. Er bietet Übermut.

Ich überlege, ob ich ihm von Josef erzählen soll, um zu sehen, was passiert. Aber das würde andere Gefahren mit sich bringen. Er würde mich auslachen, weil ich mit Josef schlafe, den er für lächerlich und alt hält. Er würde nicht verstehen, wie ich einen solchen Mann ernst nehmen kann, er würde das Getriebene daran nicht verstehen. Es würde mich in seinen Augen herabsetzen.

Johns Wohnung über dem Koffergeschäft ist lang und schmal und riecht nach Acryl und getragenen Socken und besteht aus nur zwei Zimmern und dem Badezimmer. Das Badezimmer ist purpurrot, und die Wand hinauf sind rote Fußabdrücke gemalt, quer über die Decke und an der anderen Wand wieder herunter. Das vordere Zimmer ist in einem strahlenden Weiß gestrichen und das andere – das Schlafzimmer – in einem schimmernden Schwarz. John sagt, das habe er aus Rache getan, weil der Vermieter ein Spießer sei. Wenn ich mal ausziehe, wird er's fünfzehnmal übermalen müssen, um es weg zu kriegen, sagt er (S. 370/371)

Margaret Atwood: Katzenauge  (Cat's Eye) (2024)

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